K. T. Elsasser: Der Direkte Weg in den Süden

Cover
Titel
Der direkte Weg in den Süden. Die Geschichte der Gotthardbahn


Herausgeber
T. Elsasser, Kilian; ViaStoria
Erschienen
Zürich 2007: AS Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Benedikt Hauser

Wer Bücher mit schönen Bildern schätzt und sich für Eisenbahnen interessiert, wird von der hier zu besprechenden Jubiläumsschrift begeistert sein. Ihre Autoren haben es verstanden, den Band mit historischen Aufnahmen und Abbildungen von Plakaten sowie mit Fotos der neusten Zeit gekonnt zu illustrieren. Eindrücklich kommen dabei nicht nur die Pionierleistungen der Erbauer der Bahn, sondern auch die Entwicklung der Technik zur Geltung. Hatte sich der Schienenstrang mit mehreren Kehrtunnels durch die Biaschina zu winden, so schwingt sich die rund hundert Jahre später errichtete Autobahn auf schwindelerregend hohen Pfeilern souverän über das Verkehrshindernis hinweg.

Gerne zur Hand nehmen werden das Buch auch jene, die sich rasch einen Überblick über die Geschichte der Gotthardbahn verschaffen möchten. Das Wesentliche ist knapp und lesefreundlich dargestellt. Von besonderem Interesse ist dabei die Schilderung der jüngeren Zeit: Etwas Vergleichbares gibt es bis dato kaum, und die Entstehung der NEAT ist, so stellt man fest, nicht minder interessant, konfliktintensiv und abwechslungsreich als die diejenige der Gotthardbahn selbst. Klar ersichtlich wird auch hier, dass erst das enge Zusammenspiel zwischen treibenden Kräften im In- und Ausland schliesslich den Durchbruch ermöglicht hat.

Eher enttäuscht zur Seite legen wird man das Buch, wenn man sich beim Text an den hohen Standards orientiert, die frühere Jubiläumsschriften setzten wie z.B. das fünfbändige Werk zur Geschichte der Schweizer Bahnen, das in den Jahren 1947 bis 1964 herausgegeben worden ist. Sicher ist es auch heute noch legitim, sich mit einer narrativen Darstellung von Fakten zu begnügen, wobei man dann jedoch erwarten würde, dass es über den einzelnen Beitrag hinaus eine Strukturierung gibt, die es erlaubt, kapitelübergreifend die wichtigsten Kontinuitäten und Brüche klar zu erkennen und sie zueinander in Bezug zu setzen. Hinzu kommt, dass Essentielles kaum erwähnt wird oder fehlt: Grafiken und Tabellen zum Verkehrsaufkommen oder zur Ertragslage, die Langzeitvergleiche ermöglichen würden, findet man nur spärlich, Angestellte sind vorwiegend nur Sujets von Bildern, und nach Hinweisen auf die Bedeutung der Gotthardbahn für wichtige Umschlagplätze wie Lugano und Chiasso sucht man vergeblich. Gar nicht oder nur am Rande erwähnt werden Betriebsunfälle oder die durch die Bahn verursachten Belastungen der Umwelt.

Auch redaktionell lässt das Buch zu wünschen übrig. Kopfschütteln löst schon der Titel aus: Eine der Spezifizitäten des Gotthards ist es, dass er sowohl für den Nordsüd- als auch für den Südnordverkehr von wichtiger Bedeutung ist, wobei sein nördlicher Einfallskorridor relativ eng begrenzt ist: Wer z.B. von Bern direkt nach Italien reisen will, benützt seit 1913 bekanntlich den Lötschberg. Nicht selten ärgert man sich auch über die Sprache: So wird erwähnt, dass die Gotthardbahn Uri nicht nur «Segen» brachte (S. 82), wobei umgehend präzisiert wird, dass es dem Kanton auch sonst nicht besser ergangen wäre, man spricht vom «‘Mobilitätskuchen’», der auf «wunderbare Weise» anwuchs (S. 45), oder man charakterisiert den primär als internationale Transitachse konzipierten und faktisch dann auch so genutzten Schienenweg als «urschweizerische» Bahn (S. 144): Derlei Betuliches hat in Publikationen mit wissenschaftlichem Anspruch nichts zu suchen.

«Jubiläen sind wichtige Anlässe für die Aufarbeitung der Geschichte», halten die Autoren fest (S. 130). Man kann ihnen nur beipflichten und wünscht sich, dass ihr Werk dazu beiträgt, das Interesse von Historikerinnen und Historikern für die Gotthardbahn zu stimulieren. An Stoff für qualitativ hochstehende Forschungsprojekte fehlt es hier beileibe nicht.

Zitierweise:
Benedikt Hauser: Rezension zu: ViaStoria und Kilian T. Elsasser (Hg.): Der Direkte Weg in den Süden: Die Geschichte der Gotthardbahn. Zürich, AS Verlag, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 1, 2008, S. 105-106.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 58 Nr. 1, 2008, S. 105-106.

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